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20 Gene als Diabetesgene bestätigt: DZD-Ergebnisse zu Diabetesentstehung

Massives Übergewicht erhöht das Risiko für Typ-2-Diabetes. Doch nicht jeder dicke Mensch wird zuckerkrank, da unsere Erbanlagen uns mehr oder weniger empfänglich für die Erkrankung machen. Welche Genvarianten im Einzelnen hierfür eine Rolle spielen, ist jedoch noch wenig erforscht. Ein Wissenschaftlerteam um Annette Schürmann vom DZD-Partner Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE) hat nun durch den Vergleich zwischen Mensch und Maus 20 Gene als Diabetesgene bestätigt und funktionell eingeordnet. Vier dieser Gene sind für die Regenerationsfähigkeit der insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse bedeutsam. Die Studie gibt wichtige Hinweise auf die Entstehungsmechanismen der Erkrankung. Ihre Ergebnisse sind nun in der Fachzeitschrift Diabetes (DOI:10.2337/db14-0425) nachzulesen.
Portrait von Prof. Dr. Annette Schürmann

Prof. Dr. Annette Schürmann ©DZD

Wie bei Menschen gibt es auch bei Mäusen dicke Tiere, die empfänglich für Diabetes sind und Tiere, die trotz Übergewicht nicht an Diabetes erkranken. So entwickeln New-Zealand-obese-Mäuse, die einen natürlichen Hang zu Übergewicht haben, in Folge massiver Fettleibigkeit zunächst eine Insulinresistenz und dann einen Typ-2-Diabetes. Dagegen erkranken B6-ob/ob-Mäuse trotz Übergewicht und beginnender Insulinunempfindlichkeit nicht an Diabetes, da ihre insulinproduzierenden Beta-Zellen vor dem krankheitsbedingten Verfall geschützt sind und sich sogar noch vermehren, um dem Körper ausreichend Insulin zur Verfügung zu stellen. Da sich Mensch und Maus genetisch ähneln, lassen sich die beiden Mausstämme gut als Modellsystem nutzen, um zu ergründen, welche Genvarianten Menschen für Diabetes empfänglich machen bzw. vor der Erkrankung schützen.

Gene in Beta-Zellen unterschiedlich reguliert
In der vorliegenden Studie verglichen die Forscher um Schürmann zunächst die oben genannten Mausstämme hinsichtlich ihrer Erbanlagen. Dabei stellten sie fest, dass in den Beta-Zellen der beiden Stämme mehr als 2.000 Gene unterschiedlich reguliert sind. Um diese Erkenntnisse auf die humane Erkrankung zu übertragen, verglichen die Wissenschaftler diese diabetesrelevanten Mausgene anschließend mit 106 aus genomweiten Assoziationsstudien* bekannten menschlichen Genen, die zwar mit Typ-2-Diabetes in Zusammenhang stehen, deren Funktion bei der Diabetesentstehung aber noch wenig erforscht ist.
20 der untersuchten Gene waren sowohl beim Menschen als auch bei der Maus mit Typ-2-Diabetes assoziiert. „Unsere Ergebnisse bestätigen damit nicht nur die Relevanz einiger menschlicher Gene für den Typ-2-Diabetes. Sie liefern auch eine überschaubare Liste von Genen, die man sich nun in Human- und Mausstudien genauer anschauen kann“ sagt Studienleiterin Annette Schürmann. Letztere seien von entscheidendem Vorteil, denn mit ihnen könne man die Genfunktionen und die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen unter kontrollierten Bedingungen erforschen, so Schürmann weiter. Am Menschen seien solche Studien oft aus ethischen sowie auch aus praktischen Gründen nicht möglich.

Ergebnisse nützlich für neue Strategien der Prävention und Behandlung
„Wie unsere Untersuchungen zeigen, spielen vier der untersuchten Gene für die Regenerationsfähigkeit und das Wachstum der Beta-Zellen eine Rolle und könnten darüber entscheiden, ob ein Diabetes ausbricht oder nicht“, ergänzt Oliver Kluth, Erstautor der Studie. „Die weitere Aufklärung der zellulären Funktion der bestätigten Diabetesgene gibt nicht nur einen tiefen Einblick in die Entstehungsmechanismen der Erkrankung, sondern wird uns auch zu neuen Strategien der Diabetesprävention und -therapie führen“, ergänzt Hans-Georg Joost, ehemaliger wissenschaftlicher Direktor des DIfE und Koautor der Studie.

 

Original-Publikation:
Oliver Kluth, Daniela Matzke, Gunnar Schulze, Robert W. Schwenk, Hans-Georg Joost, Annette Schürmann: Differential transcriptome analysis of diabetes resistant and sensitive mouse islets reveals significant overlap with human diabetes susceptibility genes. Diabetes 2014, http://diabetes.diabetesjournals.org/content/early/2014/07/22/db14-0425.abstract


Hintergrundinformation:
* Um genomweite Assoziationsstudien durchzuführen, werden zwei Probandengruppen benötigt: Eine Vergleichsgruppe (also „normal“ bzw. meist gesund) und eine Gruppe, welche den Phänotyp (das Erscheinungsbild) von Interesse aufweist, also die Krankheit oder sonst ein spezielles Merkmal zeigt. Von beiden Gruppen werden DNA-Proben genommen. In der anschließenden Analyse wird nach genetischen Unterschieden zwischen beiden Gruppen gesucht. Eine Häufung eines bestimmten Markers in der Gruppe des Phänotyps von Interesse stellt eine Assoziation dar. Dabei sagt eine genomweite Assoziationsstudie aber nichts darüber aus, in welchem Zusammenhang der Phänotyp mit der bestimmten Ausprägungsform eines Gens steht – es ist eine bloße Assoziation. Der kausale Zusammenhang kann erst nach der Identifizierung solcher „Kandidaten-Gene“ mit molekularbiologischen und biochemischen Methoden erforscht werden (Quelle: Wikipedia).