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Blutanalysen sprechen dafür, dass viel rotes Fleisch das Diabetesrisiko erhöht

Wie zahlreiche Beobachtungsstudien zeigen, haben Menschen, die viel rotes Fleisch essen, ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes. Die Ursachen für diese Risikobeziehung sind jedoch noch nicht geklärt. Ein interdisziplinäres DZD-Forscherteam um Matthias Schulze hat nun Biomarker im Blut von Studienteilnehmern identifiziert, die erste Hinweise auf die Stoffwechselmechanismen geben, die der Risikobeziehung zugrunde liegen könnten und somit für einen kausalen Zusammenhang sprechen.

Fleisch von Rind, Lamm und Schwein. Quelle: DIfE

Große Langzeit-Beobachtungsstudien kommen weltweit zu dem Ergebnis, dass ein hoher Konsum von rotem Fleisch, das heißt Rind-, Schweine- oder Lammfleisch, mit einem erhöhten Typ-2-Diabetesrisiko verbunden ist. Auch die Daten der Potsdamer EPIC-Studie weisen darauf hin. Wie sie zeigen, geht der tägliche Verzehr von 150 Gramm rotem Fleisch mit einem um ca. 80 Prozent erhöhten Erkrankungsrisiko einher. Eine ähnliche Risikoerhöhung beobachteten die Wissenschaftler auch in Verbindung mit dem Rauchen von mehr als 20 Zigaretten pro Tag, mit einer Zunahme des Taillenumfangs um 7,6 cm oder in Zusammenhang mit einer erblichen Vorbelastung durch Mutter oder Vater. Welche Stoffwechselprozesse der Risikobeziehung zwischen dem Verzehr von rotem Fleisch und Typ-2-Diabetes zugrunde liegen und ob bestimmte im Fleisch enthaltene Stoffe wie Eisen hierfür eine Rolle spielen, ist jedoch noch nicht hinreichend erforscht.

Um mehr über die Zusammenhänge zu erfahren, analysierte das Team mit Epidemiologen vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung, Metabolomics-Experten vom Helmholtz Zentrum München und Klinikern der Universität Tübingen die Blutproben von 2.681 Potsdamer EPIC-Studienteilnehmern. Von diesen waren 688 im Verlauf der Studie an einem Typ-2-Diabetes erkrankt. Die Ernährungsgewohnheiten und den Fleischverzehr der Studienteilnehmer erfassten die Wissenschaftler mit Hilfe von Fragebögen.

Insgesamt überprüften die Forscher 127 verschiedene Biomarker im Blut der Teilnehmer, wobei 21 dieser Marker sowohl bei Frauen als auch bei Männern mit dem Fleischverzehr in Beziehung standen. Bei sechs dieser Biomarker waren die beobachteten Konzentrationsänderungen zudem mit einem erhöhten Diabetesrisiko verbunden. So hatten Studienteilnehmer mit einem hohen Ferritinspiegel und einem niedrigen Spiegel des Eiweißbausteins Glyzin ein erhöhtes Diabetesrisiko. Ebenso waren bei diesen Teilnehmern die Werte von vier Lipiden verändert, die von der Leber ans Blut abgegeben werden.

„Hohe Ferritinspiegel bedeuten, dass die Eisenspeicher voll sind und können auf eine hohe Eisenaufnahme hinweisen. Wie wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, führt ein Zuviel an Eisen dazu, dass sich in den Körperzellen verstärkt hochreaktive Moleküle bilden, welche die Zellen schädigen. Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang auch von oxidativem Stress“, erklärt Wittenbecher, Erstautor der Studie. „Da Glyzin ein zentraler Bestandteil der körpereigenen Systeme ist, welche die Zellen vor oxidativem Stress schützen, und gleichzeitig Entzündungsreaktionen entgegenwirkt, könnten hohe Ferritinspiegel und niedrige Glyzinwerte annehmen lassen, dass der Körper einem erhöhten oxidativen Stress ausgesetzt und vor Entzündungen weniger gut geschützt ist. Dies wiederum könnte den Zusammenhang zwischen dem Verzehr von rotem Fleisch und Diabetes erklären, da oxidativer Stress sowie Entzündungsreaktionen nach neuestem Wissensstand zur Typ-2-Diabetes-Entstehung beitragen“, so Wittenbecher weiter. Die veränderten Lipidwerte würden zudem auf einen gestörten Fettstoffwechsel der Leber hinweisen, der nach Angaben der Wissenschaftler ebenso zur Krankheitsentstehung beitragen könne.

„Unsere Ergebnisse lassen somit annehmen, dass nicht eine einzelne Substanz, die im roten Fleisch enthalten ist, in Zusammenhang mit dem Diabetesrisiko steht, sondern dass der gewohnheitsmäßig hohe Verzehr von rotem Fleisch den Stoffwechsel über verschiedene Wege in einer Weise beeinflusst, die langfristig die Entstehung eines Typ-2-Diabetes begünstigt“, sagt Studienleiter Matthias Schulze.

„Beobachtungsstudien wie die EPIC-Studie sind zwar nicht geeignet, um kausale Risikobeziehungen zweifelsfrei zu beweisen. Sie geben jedoch gute Hinweise auf die Stoffwechselmechanismen, die einer solchen Beziehung zugrunde liegen könnten“, sagt Wittenbecher. „Unsere Ergebnisse liefern damit nicht nur neue Ansatzpunkte, um die Effekte des Fleischkonsums in Stoffwechselstudien gezielter und detaillierter zu untersuchen. Sie stützen auch die aktuelle Ernährungsempfehlung, den Verzehr von rotem Fleisch zu verringern, um einer Typ-2-Diabetes-Erkrankung vorzubeugen“, ergänzt Schulze.

Originalarbeit:
Wittenbecher et al.; DOI: 10.3945/ajcn.114.099150

Wissenschaftlerteam:
In dieser Studie kooperierten die DZD Partner Clemens Wittenbecher, Matthias Schulze, Kristin Mühlenbruch, Janine Kröger, Simone Jacobs, Olga Kuxhaus, Anna Floegel, Hans-Georg Joost und Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE), Jerzy Adamski und Cornelia Prehn vom Helmholtz Zentrum München und Andreas Fritsche vom Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.