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Dr. Anja Zeigerer: Diabetes – per Anhalter durch die Zellmembran

Dr. Anja Zeigerer leitet die Nachwuchsgruppe ‚Endozytose und Stoffwechsel‘ am Institut für Diabetes und Krebs (IDC) des DZD-Partners Helmholtz Zentrum München. Im Gespräch erzählt sie, warum der Transport durch Zellmembranen bei Typ-2-Diabetes von zentraler Bedeutung ist – und warum sie dieses Thema seit Jahren fasziniert.

Dr. Anja Zeigerer. Foto: HMGU

Die weltweite Prävalenz von Typ-2-Diabetes erreicht mit über 400 Millionen klinisch diagnostizierten Patienten WHO-Angaben zufolge epidemische Ausmaße. Am Helmholtz Zentrum München untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler grundlegende Mechanismen dieser Stoffwechselerkrankung, um neue präventive und therapeutische Lösungsansätze zu entwickeln. Dr. Anja Zeigerer nimmt die Endozytose genauer unter die Lupe. Darunter versteht man Vorgänge zur Aufnahme von Molekülen aus der Umgebung einer Zelle durch Einstülpung von Bereichen der Membran.  

Zwei zentrale Mechanismen 
Bei Typ-2-Diabetes, sprich Insulinresistenz, spielt die Leber eine zentrale Rolle. Das geschieht nicht nur über den Glukosestoffwechsel selbst. Per Endozytose gelangen Nährstoffe, aber auch Signalmoleküle gezielt ins Zellinnere. Gleichzeitig wird der Glukosestoffwechsel über die Speicherung oder Freisetzung von Glukose kontrolliert. „Beide Vorgänge müssen synchronisiert werden, um die Glukosespeicherung und -freisetzung zu steuern“, erzählt Zeigerer. „Dysfunktionen dieser voneinander abhängigen Prozesse können die Entwicklung von Typ-2-Diabetes fördern.“

Die Wissenschaftlerin berichtet von mehreren Hinweisen, dass sich Glukosestoffwechsel und Endozytose wechselseitig regulieren:

  • Bei einem genomweiten RNAi-Screen zeigte sich, dass die Inaktivierung spezifischer metabolischer Gene dramatische Auswirkungen auf den endosomalen Transport hat.
  • Saccharose induziert bei der Taufliege (Drosophila) eine Hochregulation der Endozytose-Gene, was auf eine Anforderung des endosomalen Systems bei hoher Zuckerzufuhr hindeutet.
  • Die kleine Transport-GTPase Rab5 ist essentiell für die Neuentstehung und Erhaltung der Endosomen-Organellen in der Leber. Bei Mäusen ohne dieses funktionsfähige Gen kam es zu einer Veränderung des Glukosestoffwechsels und einer verbesserten Hyperglykämie bei diabetischen db/db-Mäusen.   


„Insgesamt unterstreichen diese Daten den Zusammenhang zwischen Endozytose und Stoffwechsel“, berichtet die Forscherin. Sie hat bereits herausgefunden, dass verschiedene Ernährungsbedingungen bei Diabetes auch zu Unterschieden bei der Expression und Regulation von Signalmolekülen führen, die wiederum das Transportsystem durch Membranen beeinflussen. Dieses Thema verfolgt sie weiter. „Unser Ziel ist es, neue Einblicke in die intrazelluläre Regulation des Glukosestoffwechsels durch die Beteiligung von Membrantransportprozessen in der Leber zu gewinnen und den Weg für deren Anwendung bei der Kontrolle der Leber-Glukoseproduktion und damit der Behandlung von Typ-2-Diabetes zu ebnen“, sagt die Wissenschaftlerin.  

Seit Beginn der Karriere vom Thema fasziniert 
Die Frage, welche Bedeutung Endozytose-Vorgänge haben, zieht sich wie ein roter Faden durch Anja Zeigerers Laufbahn: „Seit Beginn meiner wissenschaftlichen Karriere war ich von den Mechanismen des intrazellulären Transports fasziniert, besonders wie diese den Stoffwechsel und die zelluläre Homöostase regulieren können.“  

Als Masterstudentin am Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, untersuchte sie den selektiven Transport von sekretorischen Proteinen und deren regulierte Sortierung durch Coat-Proteine am Endoplasmatischen Retikulum. Sie arbeitete im Labor von James Edward Rothman, Träger des Medizinnobelpreises.  

Bei ihrer Doktorarbeit untersuchte sie die Zusammenhänge zwischen Insulin-induzierter Signaltransduktion und intrazellulären Transport des Glukosetransporters 4 im Labor von Tim McGraw am Weill Cornell Medical College, New York. Bei ihm lernte sie erstmals das Konzept der Regulierung des Stoffwechsels durch intrazelluläre Transportprozesse kennen.   

„Inspiriert durch meine Promotion beschäftigte ich mich zunächst während meines ersten Postdocs bei Jeffrey Friedman an der Rockefeller University New York mit der Sekretion von Leptin aus Adipozyten“ erzählt Zeigerer. Nach acht Jahren in den USA kehrte sie schließlich nach Deutschland zurück und arbeitete bei Marino Zerial am Max-Planck-Institut für Zellbiologie und Genetik, Dresden. Dort zeigte sie erstmals die Verbindung zwischen dem Rab5-vermittelten endosomalen Transport und der Regulation des Glukosestoffwechsels in der Leber.  

Umgebung mit „hochkarätiger Diabetes- und Adipositasforschung“ 
Nun freut sich Zeigerer auf die kommenden Aufgaben am Helmholtz Zentrum München: „Mein Ziel ist es, die bisher isoliert untersuchten Module Endozytose und Stoffwechselregulation zu verbinden und deren potenzielle Fehlregulation bei Diabetes und Fettleibigkeit zu untersuchen. Dies wollte ich gerne in einer Umgebung machen, die sich auf Diabetes- und Adipositasforschung spezialisiert hat und hochkarätige und innovative Forschung betreibt.“  

Bei einer Konferenz traf Anja Zeigerer die Diabetesforscher Prof. Dr. Matthias Tschöp und Prof. Dr. Stephan Herzig vom Helmholtz Zentrum München. Sie war von der Idee des Helmholtz Diabetes Zentrums (HDC) begeistert. Weitere Gespräche folgten. Seit Februar 2015 leitet sie eine Nachwuchsgruppe am Institut für Diabetes und Krebs bei Herzig. 

Weitere Informationen  

Wichtige Publikationen
    Zeigerer A, et al. (2012), Rab5 is necessary for the biogenesis of the endo-lysosomal system in vivo. Nature. May 23;485(7399):465-70. Abstract...
    Gilleron J, et al. (2013), Image-based analysis of lipid nanoparticle-mediated siRNA delivery, intracellular trafficking and endosomal escape. Nat Biotechnol. Jul;13(7):638-46. Abstract...
    Zeigerer A, et al. (2015), Regulation of liver metabolism by the endosomal GTPase Rab5. Cell Rep. May 12;11(6):884-92. Abstract...
    Zeigerer A, et al. (2017), Functional properties of hepatocytes in vitro are correlated with cell polarity maintenance. Exp Cell Res. Jan 1;350(1):242-252. Abstract...

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