Subjektive Wahrnehmung der Blutzuckerkontrolle entscheidend für psychische Beschwerden

Perceived glucose levels matter more than CGM-based data in predicting diabetes distress in type 1 or type 2 diabetes: a precision mental health approach using n-of-1 analyses. Diabetologia 2024

© DZD

Diabetes ist eine emotional belastende Erkrankung, deren Management die Patientinnen und Patienten täglich fordert. Die Blutzuckerkontrolle spielt dabei eine große Rolle, wie  DZD-Forschende jetzt zeigen konnten. Im Fachblatt „Diabetologia“ berichten sie: Ob die emotionale Belastung zu psychischen Problemen wie etwa Depressionen führt, ist offenbar davon abhängig, ob die wahrgenommene oder die tatsächlich gemessene Blutzuckerkontrolle im Vordergrund steht. 

Die Sorgen und Ängste, die mit dem herausfordernden Selbstmanagement des Diabetes assoziiert sind, werden unter dem Oberbegriff „Diabetes-Disstress“ zusammengefasst. Diabetes-Disstress gehört zu den häufigsten psychischen Problemen von Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes.  

Die Rolle der Blutzuckerkontrolle beim Diabetes-Disstress war bisher wenig erforscht. Auch die Frage, ob die subjektive Wahrnehmung der Blutzuckerkontrolle oder objektiv gemessene Parameter einen größeren Einfluss auf die emotionale Belastung haben, wurde bislang kaum untersucht. Doch diese Fragen sind relevanter denn je. Denn mit der zunehmenden Verbreitung von Systemen zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) haben die Patientinnen und Patienten ihre Blutzuckerwerte jederzeit vor Augen. 

Wisenschaftler:innen vom Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim (FIDAM) untersuchten in Zusammenarbeit mit Forschenden des DZD und Partnern anderer Institutionen den Einfluss der Blutzuckerkontrolle auf das psychosoziale Wohlbefinden von 379 Menschen mit Diabetes. 

Datenerhebung per CGM-System und Smartphone-App

Die Studienteilnehmenden trugen 17 Tage lang ein CGM-System, das täglich die im hypo- und hyperglykämischen Bereich verbrachte Zeit sowie die Glukosevariabilität ermittelte. In einer Smartphone-App machten sie zusätzlich Angaben zur wahrgenommenen Blutzuckerkontrolle – etwa der empfundenen Belastung durch Hypoglykämien – und zur emotionalen Belastung durch den Diabetes. Die App fragte zum Beispiel täglich, wie stark sich die Teilnehmenden gerade durch ihren Diabetes überfordert fühlten oder wie sehr sie sich mit dem Management des Diabetes allein gelassen fühlten. 

Die Auswertung all dieser Informationen ergab, dass die subjektive Wahrnehmung der Blutzuckerkontrolle bei allen Studienteilnehmenden einen stärkeren Effekt auf den Diabetes-Disstress hatte als die objektiven CGM-Parameter. Allerdings stand bei einigen Patientinnen und Patienten die Wahrnehmung und bei anderen die Messung der Blutzuckerwerte im Vordergrund. Und dies hatte im weiteren Verlauf Einfluss auf das psychosoziale Wohlbefinden.  


© DZD

 

Auslöser des Diabetes-Disstress bestimmt Risiko für die Psyche

Teilnehmende, deren Diabetes-Disstress stärker durch objektive CGM-Parameter getrieben war, hatten bei einem Kontrolltermin nach 3 Monaten weniger psychische Probleme, aber einen höheren HbA1c-Wert. Patientinnen und Patienten, bei denen für den Diabetes-Disstress vorwiegend die wahrgenommene Blutzuckerkontrolle eine Rolle spielte, berichteten dagegen nach 3 Monaten von mehr psychischen Problemen – mehr depressiven Symptomen, mehr Diabetes-Disstress und mehr Angst vor Hypoglykämien. 

Die Forschenden gehen davon aus, dass das Wissen um die individuellen Treiber von Diabetes-Disstress dabei helfen könnte, personalisierte Hilfsangebote zu entwickeln, um die betroffenen Patientinnen und Patienten besser unterstützen zu können. 

 

Original-Publikation:
Dominic Ehrmann, Norbert Hermanns, Andreas Schmitt, Laura Klinker, Thomas Haak & Bernhard Kulzer. Perceived glucose levels matter more than CGM-based data in predicting diabetes distress in type 1 or type 2 diabetes: a precision mental health approach using n-of-1 analyses. Diabetologia 2024 Jul 30; doi: 10.1007/s00125-024-06239-9