Neuherberg, 07.03.2023

Protein Cited1 verbindet Geschlechter- und Stoffwechselhormone zum Schutz vor Adipositas

Geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen bei der Regulierung der Energiehomöostase, dem Mechanismus des Organismus zur Aufrechterhaltung eines stabilen Körpergewichts. Aktuelle Studien deuten beispielsweise darauf hin, dass weibliche Säugetiere, einschließlich des Menschen, im reproduktiven Alter besser vor Stoffwechselerkrankungen geschützt sind. Dies ist besonders wichtig im Hinblick auf Adipositas, eine nicht übertragbare Krankheit, deren Prävalenz sich nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit 1975 verdreifacht hat. Allerdings ist noch nicht vollständig geklärt, wie Hormone, die von geschlechtsspezifischen Fortpflanzungsdrüsen ausgeschüttet werden, dem Gehirn signalisieren, den Energiestoffwechsel im weiblichen und männlichen Körper zu regulieren. Forschende von Helmholtz Munich sind dieser Frage nachgegangen und haben in hypothalamischen Neuronen ein neues Protein namens Cited1 entdeckt, welches an der Regulierung und Empfindlichkeit von Sättigungswegen beteiligt ist. Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift 'Cell Metabolism' veröffentlicht.

Adipositas ist ein globales Gesundheitsproblem, da die Krankheit weit verbreitet ist und in engem Zusammenhang mit Bluthochdruck, koronaren Herzkrankheiten, Schlaganfall und anderen Stoffwechselstörungen steht. Bei Säugetieren wird das Energiegleichgewicht durch ein homöstatisches System aufrechterhalten, an dem sowohl periphere als auch zentrale Systeme beteiligt sind – Veränderungen des Körpergewichts spiegeln einen unausgewogenen energetischen Zustand wider. Studien haben bestätigt, dass es bei der Art und Weise, wie das Gehirn die Energiehomöostase reguliert, und bei der daraus resultierenden metabolischen Anpassung an ernährungsbedigtem starken Übergewicht, einen deutlichen Geschlechtsdimorphismus gibt.

Schützende Mechanismen von Östrogenen
Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Frauen nach der Menopause – im Vergleich zu Frauen vor der Menopause – eher zu Adipositas neigen. Mehrere Studien haben einen Zusammenhang zwischen der Anfälligkeit für die Entwicklung von Stoffwechselstörungen und dem Rückgang der Fortpflanzungsfähigkeiten festgestellt. Dies deutet darauf hin, dass Östrogene, eine Kategorie von Sexualhormonen, die für die Entwicklung und Regulierung des weiblichen Fortpflanzungssystems und der sekundären Geschlechtsmerkmale verantwortlich sind, in diesem Zusammenhang eine schützende Rolle spielen. Das wichtigste Östrogenhormon im weiblichen Körper, Östradiol, reguliert dabei die Energiehomöostase, indem es das Essverhalten verändert. Wie dieses Sexualhormon seine Anti-Adipositas-Wirkung vermittelt, ist jedoch noch weitgehend unbekannt.

Weniger Sättigungsgefühl ohne Cited1
Ein Forscherteam unter der Leitung von Cristina García-Cáceres, stellvertretende Direktorin und Leiterin der Astrozyten-Neuronen Forschungseinheit am Institut für Diabetes und Adipositas (IDO) bei Helmholtz Munich, dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) und Professorin am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, hat nun ein neuartiges Protein namens Cited1 entdeckt, welches in Östradiol-sensitiven Neuronen des Nucleus arcuatus des Hypothalamus, einem Teil des Gehirns, der das endokrine und das Nervensystem miteinander verbindet, stark angereichert ist. Die Forschenden entdeckten, dass dieses Protein für die Integration von Energiespeichern mit reproduktiven Signalen für die metabolische Anpassung bei ernährungsbedingter Adipositas von wesentlicher Bedeutung ist. Anhand von Mausmodellen stellen die Wissenschaftler:innen fest, dass das Fehlen von Cited1 im Hypothalamus von Weibchen deren Fähigkeiten, angemessen auf Sättigungshormone wie Leptin zu reagieren, auf ein mit Männchen vergleichbares Niveau herabsetzt und somit ihre Anfälligkeit für diätbedingte Adipositas erhöht. Dies zeigt, dass Cited1 an den Sättigungssignalwegen der hypothalamischen Neuronen beteiligt ist, und damit zur Feinabstimmung der Nahrungsaufnahme beiträgt.

Geschlechterunterschiede bei Stoffwechselkrankheiten
In dieser Studie liefern die Forscher:innen neue Erkenntnisse, die zu einem besseren Verständnis der Art und Weise beitragen, wie Neuronen über Cited1 endokrine Inputs von Gonaden- und Adipositas-Achsen integrieren und damit zum Geschlechtsdimorphismus bei ernährungsbedingter Adipositas mitwirken. Die Studie trägt zum Verständnis der geschlechtsspezifischen Unterschiede in der überg-Pathogenese bei und ebnet den Weg für neue geschlechtsspezifische Medikamente zur Bekämpfung des starken Übergewichts mit weniger Nebenwirkungen. Darüber hinaus eröffnet sie neue Wege zur Untersuchung der Rolle von Cited1 bei der Konvergenz anderer potenzieller neuroendokriner Funktionen, wie Pubertät oder Wachstum, sowie zum Verständnis der vollen translationalen Bedeutung und des klinischen Potenzials für den Menschen.

 

Original Publikation:
González-García et al. (2023) Estradiol regulates leptin sensitivity to control feeding via hypothalamic Cited1. Cell Metab. (In Press).


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