Typ-1-Diabetes: Erste Hürde zur Insulin-Impfung erfolgreich genommen

Dresden, Neuherberg, 21.04.2015. Den ersten Schritt hin zu einer präventiven Insulin-Impfung gegen Typ-1-Diabetes haben Wissenschaftler des DFG Center for Regenerative Therapies Dresden, TU Dresden, sowie des Instituts für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, zusammen mit Forschern aus Wien, Bristol und Denver (USA) erfolgreich vollzogen: Wie die Diabetesforscher in der aktuellen Ausgabe des Magazins JAMA veröffentlichen, deuten Auswertungen der internationalen Pre-POINT-Studie auf eine positive Immunreaktion bei Risikopersonen hin, denen Insulin oral verabreicht wurde. Zu Nebenwirkungen wie einer Unterzuckerung kam es dagegen nicht. Im nächsten Schritt soll jetzt getestet werden, ob eine Insulin-Impfung den Ausbruch der Erkrankung dauerhaft verhindern kann.

Wer Diabetes Typ 1 hat, muss sein Leben lang mehrmals am Tag Insulin spritzen. Bei dieser Autoimmunerkrankung zerstört das körpereigene Immunsystem in der Regel bereits im Kindesalter die Insulin produzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse. Ausgelöst wird die Autoimmunreaktion durch Antigene, wie zum Beispiel das Insulin selbst, die der Organismus fälschlicherweise als „Fremdkörper“ einstuft und bekämpft. Im Normalfall baut das Immunsystem dagegen in den ersten Lebensjahren eine Immuntoleranz gegen die körpereigenen Proteine auf, so dass es nicht zu einer Autoimmunreaktion kommt. Zusätzlich werden Zellen bereitgestellt, welche die Zerstörung der eigenen Zellen verhindern. Diese positive Immunantwort soll mit Hilfe der Insulin-Impfung „antrainiert“ werden. 

In der Pre-POINT-Studie, die Teil des Forschungsprogramms des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) ist, wurden Kinder mit einem hohen Erkrankungsrisiko für Typ-1-Diabetes in Deutschland, Österreich, in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien über durchschnittlich ein halbes Jahr einmal täglich mit oralem Insulin behandelt. Die Kontrollgruppe erhielt nur ein wirkungsloses Placebo. Die Gruppe mit dem Wirkstoff nahm das Insulin in unterschiedlicher, im Laufe der Monate ansteigender Dosis, als Pulver zusammen mit der Nahrung ein. In der höchsten Dosis (67,5 mg) rief das Insulinpulver schließlich die gewünschte Immunantwort hervor. „Ein wichtiger Befund war zu sehen, dass es keine unerwünschten Nebenwirkungen gab“, kommentiert Studienleiter Prof. Ezio Bonifacio vom Center for Regenerative Therapies das Ergebnis. „Das zeigt, dass wir die regulären Vorgänge im Körper eines gesunden Kindes, die eine Typ-1-Diabetes-Erkrankung verhindern, erfolgreich nachgeahmt haben.“ Da das Insulin in dieser Verabreichungsform im Magen aufgespalten wird, hatte es keinen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel. „Wir vermuten, dass der Hauptanteil der Immunantwort auf das Insulin bereits im Mund abläuft“, ergänzt Bonifacio.

Einzigartig ist bei dieser Doppelblindstudie nach Ansicht von Prof. Anette-Gabriele Ziegler vom ebenfalls beteiligten Institut für Diabetesforschung, dass das Insulin prophylaktisch als Impfstoff zu einem Zeitpunkt verabreicht wurde, an dem die Kinder noch keine Autoimmunreaktion – das heißt noch keine Autoantikörper – entwickelt hatten. „Dies ist eine Revolution bei der Behandlung von Typ-1-Diabetes“, so Ziegler. „Aber die Vorgehensweise ist nur folgerichtig: Wenn das Immunsystem die schützende Immunantwort nicht von selbst lernt, muss die Medizin eben ein bisschen Nachhilfe geben.“ 

Die Studienergebnisse werden auch von der amerikanischen JDRF (Juvenile Diabetes Research Foundation), die das Projekt mit Fördergeldern unterstützt hat, positiv gewertet: „Die Ergebnisse der Pre-POINT-Studie sind uns ein Ansporn, ein erster Schritt dahin, Typ-1-Diabetes bei Kindern mit hohem Erkrankungsrisiko möglicherweise verhindern zu können“, sagt Julia Greenstein, Vizepräsidentin des Bereiches Discovery Research. „Dies ist eine bedeutende Erkenntnis und hinsichtlich der Mission der JDRF, eine Welt ohne Typ-1-Diabetes zu realisieren, sind diese Studienergebnisse aufregend und bringen uns einen Schritt näher und in Sichtweite an die Möglichkeit einer oralen Impfstrategie zur Prävention dieser Erkrankung heran.“ 

In nachfolgenden Studien soll nun eine größere Anzahl von Babys, die Typ-1-Diabetes-Risikogene und erkrankte Verwandte und somit ein hohes Erkrankungsrisiko haben, mit Insulin behandelt werden. Sollte der Impfstoff die Autoimmunerkrankung dauerhaft verhindern, wäre der Weg frei für eine flächendeckende Vorsorgeimpfung. 

Weitere Informationen

Originalpublikation:
Bonifacio,  E. et al. (2015): Effects of High-Dose Oral Insulin on Immune Responses in Children at High Risk for Type 1 Diabetes. The Pre-POINT Randomized Clinical Trial. JAMA 2015; 313(15):1-10. doi:10.1001/jama.2015.2928

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Das CRTD wurde als interdisziplinäres, eng verbundenes Netzwerk mit 17 Forschungsgruppen im Kernzentrum sowie mehr als 75 Vollmitgliedern an sieben verschiedenen Dresdner Forschungsinstituten gegründet. Zurzeit forschen sieben Professoren und zehn Forschungsgruppenleiter am CRTD. Die Mitglieder des CRTD-Netzwerks arbeiten unter anderem am Biotechnologischen Zentrum der TU Dresden, am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, am Max-Bergmann-Zentrum für Biomaterialien, in Kliniken des Universitätsklinikums "Carl Gustav Carus" oder an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden. 8 Partner aus der Wirtschaft unterstützen ebenfalls das Netzwerk des CRTD, das die notwendige Expertise bündelt, um neuartige regenerative Therapien schnell und effizient zu entwickeln.

Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1.900 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 31.000 Beschäftigten angehören. 

Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung e.V.  bündelt Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenfor-schung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das Paul Langerhans Institut Dresden des Helmholtz Zentrum München am Carl Gustav Carus Universitätsklinikum Dresden sowie assoziierte Partner an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz Antworten auf offene Fragen in der Diabetesforschung zu finden und einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung von Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten.

Das Institut für Diabetesforschung (IDF) befasst sich mit der Entstehung und Prävention von Typ 1 Diabetes und Typ 2 Diabetes als Spätfolge eines Gestationsdiabetes. Ein vorrangiges Projekt ist die Entwicklung einer Insulin-Impfung gegen Typ 1 Diabetes. In groß angelegten Langzeitstudien untersucht das IDF den Zusammenhang von Genen, Umweltfaktoren und Immunsystem für die Pathogenese von Typ 1 Diabetes. Mit den Daten der Geburtskohorte BABYDIAB, die 1989 als weltweit erste prospektive Diabetes-Geburtskohorte etabliert wurde, konnten Risikogene sowie Antikörperprofile identifiziert werden. Diese lassen  Vorhersagen über Entwicklung und Ausbruch von Typ 1 Diabetes zu und werden die Klassifizierung und den Diagnosezeitpunkt verändern. Das IDF ist Teil des Helmholtz Diabetes Center (HDC).

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Informationen zu präventiven Impfstudien:

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Univ.-Prof. Dr. med. Anette-Gabriele Ziegler
Kölner Platz 1, 80804 München
Tel.: 0800 - 828 48 68 (kostenfrei)
E-Mail: prevent.diabetesnoSp@m@lrz.uni-muenchen.de 

Weitere Informationen zur Pre-POINT-Studie:

www.diabetes-point.org