Dresden, 25.10.2024
Betazellen: Neue Erkenntnisse zu Struktur, Interaktionen und neuronaler Vernetzung der primären Zilien
Funktionsstörungen der winzigen Zellfortsätze (primäre Zilien*) der Betazellen der Bauchspeicheldrüse könnten eine Ursache für die Entstehung von Typ-2-Diabetes sein. Über Aufbau und Arbeitsweise dieser Zilien ist bisher nur wenig bekannt. Ein internationales Forscherteam unter Leitung von DZD-Forschenden des Paul-Langerhans-Instituts Dresden (PLID) am Helmholtz Munich der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden hat verschiedene neue bildgebende Verfahren genutzt, um die primären Zilien in ihrer natürlichen Umgebung sichtbar zu machen. Ihre Untersuchungen geben nicht nur detaillierte Einblicke in die Struktur dieser Zilien, sondern zeigen auch ihre Verbindung zum Nervensystem. Die Ergebnisse wurden jetzt in ‚Nature Communications‘ veröffentlicht.
Die Betazellen der Bauchspeicheldrüse sind für die Freisetzung des Hormons Insulin verantwortlich, das für die Aufnahme von Glukose aus dem Blutkreislauf unerlässlich ist. Verschiedene Faktoren können die Fähigkeit dieser Zellen beeinträchtigen, Insulin zu produzieren. Das kann zur Entstehung von Typ-2-Diabetes (T2D) führen. Aktuelle Untersuchungen deuten darauf hin, dass auch Funktionsstörungen der primären Zilien der Betazellen eine Ursache für T2D sein können.
Die meisten Zellen in unserem Körper haben unbewegliche primäre Zilien. Diese kleinen Fortsätze werden stabilisiert durch eine Art Gerüst aus röhrenförmigen Eiweißstäbchen, den Mikrotubuli. Die Zilien helfen den Zellen, Signale von außen zu empfangen und weiterzuleiten. Wie die primären Zilien von Betazellen aufgebaut sind und welche Funktion sie haben, untersuchte ein internationales Team des PLID, einem Partner des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD), des Human Technopole in Italien, des Janelia Research Campus und der Yale University in den USA. Unter Leitung von Dr. Andreas Müller, Wissenschaftler in der Abteilung Molekulare Diabetologie am PLID (Direktor: Prof. Michele Solimena) und Erstautor der Studie, wurden bildgebende Verfahren wie Volumenelektronenmikroskopie (vEM), 3D-Segmentierung und ultrastrukturelle Expansionsmikroskopie (U-ExM) genutzt, um die dreidimensionale Form der primären Zilien von Betazellen in ihrer natürlichen Umgebung sichtbar zu machen.
Betazelle mit Zilien. © Andreas Müller, PLID
Besonderer Aufbau der skelettartigen Struktur
Die in dieser Studie beobachteten primären Zilien stammten sowohl von tierischen als auch von menschlichen Betazellen. Die Forschenden untersuchten, wie die aus Mikrotubuli gebildete skelettartige Struktur (Axonem) organisiert ist. Dabei entdeckten sie strukturelle Merkmale stabilisierender Zilien mit Mikrotubuli, die in unterschiedlichen Abständen innerhalb der Zilie endeten. Das konnte zum ersten Mal in Zilien von Betazellen gezeigt werden.
Rolle bei der Signalübertragung zwischen Betazellen und anderen Inselzellen
Die Forschenden überprüften auch, wie die Zilien mit Nachbarzellen interagieren, um daraus Rückschlüsse über ihre Signalfunktionen zu ziehen. Sie fanden heraus, dass sich die primären Zilien eng mit umliegenden Zellen und deren Zilien austauschen und eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung und Vernetzung der Betazellen mit anderen Inselzellen spielen. Sie bilden Synapsen-ähnliche Strukturen, die benachbarte Zellen einklemmen.
Interaktionen mit Zellen des Nervengewebes
Weitere Analysen der Bilddaten deuteten darauf hin, dass die primären Zilien der Betazellen auch mit Zellen des Nervengewebes interagieren. Das könnte auf eine Rolle bei der neuronalen Signalübertragung hinweisen.
„Die strukturellen Daten dieser Studie zeigen die Bedeutung der primären Zilien der Betazellen als wichtige Verbindungsstellen für die Inselzellfunktion“, fasst Müller die Ergebnisse zusammen.
Um besser zu verstehen, wie die primären Zilien an der T2D-Pathogenese beteiligt sind, wollen die Forschenden die Mechanismen und Wege weiter untersuchen. Diese Forschung wird vom DZD Young Talent Program unterstützt.
*Primäre Zilien
Primäre Zilien sind kleine, sensorische Strukturen, die in vielen Zelltypen vorkommen. Sie fungieren wie kleine Antennen, die Signale aus der Umgebung wahrnehmen und ins Zellinnere weiterleiten. Diese kleinen Fortsätze werden durch eine Art Gerüst aus röhrenförmigen Eiweißstäbchen stabilisiert, den Mikrotubuli. In den Betazellen der Bauchspeicheldrüse spielen primäre Zilien eine Rolle bei der Kommunikation zwischen den Zellen und sind mit Diabetes verbunden.
Original-Publikation:
Andreas Müller… Michele Solimena. Structure, interaction, and nervous connectivity of beta cell primary cilia. Nat Commun 15, 9168 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-53348-5
Die Technische Universität Dresden (TU Dresden) ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten, die für ihre außergewöhnlichen Standards in Forschung und Lehre in den verschiedensten Bereichen geschätzt wird. Die Medizinische Fakultät der TU Dresden hat sich zum Ziel gesetzt, die medizinische Wissenschaft und das Gesundheitswesen durch interdisziplinäre Zusammenarbeit und bahnbrechende Forschung voranzutreiben.https://www.uniklinikum-dresden.de/de
Das Paul-Langerhans-Institut des Helmholtz München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und der Medizinischen Fakultät der TU Dresden (PLID) trägt entscheidend dazu bei, die Mechanismen der Krankheit besser zu verstehen und neue Therapiemöglichkeiten zu erforschen. Das Institut ist Gründungspartner des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD e.V.) und ist seit Januar 2015 ein Satelliteninstitut von Helmholtz Munich. Sein Programm umfasst die Erforschung der Pathophysiologie des Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2. Im Mittelpunkt stehen dabei die Mechanismen, die zur Zerstörung und/oder eingeschränkten Funktion der Betazellen der Bauchspeicheldrüse und zu einer unzureichenden Insulinsekretion führen. Darüber hinaus spielt das PLID als einziges deutsches Transplantationszentrum für humane Inselzellen der Bauchspeicheldrüse eine herausragende Rolle. https://tu-dresden.de/med/mf/plid
Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) e.V. ist eines der acht Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind Helmholtz Munich – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen von Helmholtz Munich an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das Paul-Langerhans-Institut Dresden von Helmholtz Munich am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte Partner an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München sowie weitere Projektpartner. www.dzd-ev.de
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