Aachen / Ulm, 11.02.2025

Typ-1-Diabetes: Hybrid-Closed-Loop- und Open-Loop-Systeme im Vergleich

Menschen mit Typ-1-Diabetes sind auf eine dauerhafte Insulinbehandlung angewiesen und müssen regelmäßig ihre Glukose-Werte messen. Bei Open-Loop-Therapien* wird die Insulingabe manuell gesteuert, während Hybrid-Closed-Loop-Systeme* die Insulinabgabe automatisch regulieren. Eine Studie mit Beteiligung des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung zeigte, dass Hybrid-Closed-Loop-Systeme bessere Werte des Langzeitblutzuckers (HbA1c-Werte) und ein geringeres Risiko für hypoglykämisches Koma bieten, jedoch häufiger zu diabetischen Ketoazidosen führen. Die Ergebnisse wurden in ‚The Lancet Diabetes & Endocrinology‘ veröffentlicht.

Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, bei der der eigene Körper kein Insulin mehr herstellt. Insulin ist ein Hormon, das unsere Körperzellen benötigen, um Zucker (Glukose) aus der Nahrung aufzunehmen und in Energie umzuwandeln. Menschen mit Typ-1-Diabetes müssen lebensbegleitend Insulin spritzen. Trotz Fortschritten in der Insulintherapie erreichen viele Menschen ihre Blutzuckerziele nicht und haben ein hohes Risiko für Komplikationen. Bisher war die Auswirkung der Insulinabgabe in Hybrid-Closed-Loop-Systemen auf das Risiko akuter Diabeteskomplikationen bei Menschen mit Typ-1-Diabetes unklar. Forschende untersuchten daher nun, ob die Raten schwerer Unterzuckerungen (Hypoglykämien) und diabetischer Ketoazidosen bei einer hybriden Closed-Loop-Insulintherapie im Vergleich zu einer sensorgestützten (Open-Loop-) Pumpentherapie geringer sind.



Forschende untersuchten, ob und wie sich die Raten schwerer Hypoglykämien und diabetischer Ketoazidosen bei einer hybriden Closed-Loop-Insulintherapie im Vergleich zu einer sensorgestützten (Open-Loop-) Pumpentherapie bei jungen Menschen mit Typ-1-Diabetes unterschieden.  © Shutterstock/ Halfpoint.
 

Studie mit knapp 14.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern
Um diese Frage zu beantworten, haben die Forschenden unter Federführung von Professor Beate Karges, Medizinische Fakultät der RWTH Aachen, die Daten von fast 14.000 Teilnehmenden untersucht. Die Studie schloss junge Menschen mit Typ-1-Diabetes aus 250 Diabeteszentren in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg ein. Die Teilnehmenden waren zwischen zwei und 20 Jahre alt und hatten seit mehr als einem Jahr Typ-1-Diabetes. Dabei handelte es sich um Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV)**. Die Hauptziele der Studie waren es, die Häufigkeit schwerer Unterzuckerungen und Ketoazidosen festzustellen. Außerdem wurden Unterschiede im HbA1c -Wert, der Zeit im Zielbereich von 3,9 bis 10,0 mmol/l (70-180 mg/dl) und die Schwankungen des Blutzuckers untersucht. In die Analyse wurden Daten von 13.922 Patientinnen und Patienten (51 % männlich) einbezogen. Ihr medianes Alter lag bei 13,2 Jahren. 7.088 nutzten ein Hybrid-Closed-Loop-System und 6.834 ein Open-Loop-System. Die Beobachtungszeit betrug im Durchschnitt 1,6 Jahre.

Weniger hypoglykämisches Koma und mehr Ketoazidosen bei hybrid Closed-Loop-Therapien
Die Ergebnisse: Bei Menschen mit Hybrid-Closed-Loop-Therapie war die Rate an hypoglykämischen Komata signifikant niedriger (0,62 pro 100 Patientenjahre) als bei Personen mit Open-Loop-Therapie (0,91 pro 100 Patientenjahre). Darüber hinaus hatten Patientinnen und Patienten in der Gruppe mit Hybrid-Closed-Loop-Therapie einen signifikant niedrigeren HbA1c-Spiegel (7,34 % versus 7,50 %). Sie lagen längere Zeit im Zielglukosebereich von 3,9 bis 10,0 mmol/l (64 % versus 52 % der Zeit). Ihre glykämische Variabilität war auch geringer (Variationskoeffizient 35,4 % versus 38,3 %). Keine großen Unterschiede gab es bei der Häufigkeit schwerer Unterzuckerungen.

Bei Personen mit Hybrid-Closed-Loop-System war jedoch die Rate an Ketoazidosen höher (1,74 Ereignisse pro 100 Patientenjahre) als bei Personen mit Open-Loop-Therapie (0,96 pro 100 Patientenjahre). Besonders häufig traten Ketoazidosen bei Menschen mit Hybrid-Closed-Loop-Therapie und mit einem HbA1c-Wert von 8,5 % oder mehr auf (5,25 pro 100 Patientenjahre). In der Vergleichsgruppe waren es 1,53 Ereignisse pro 100 Patientenjahre.

Empfehlung: Ketonkörper engmaschig messen
Aufgrund des höheren Risikos für Ketoazidosen sei es wichtig, Patientinnen und Patienten gezielt aufzuklären und bei möglicher Stoffwechselentgleisung die Ketonkörper im Blut oder Urin engmaschig zu messen, um solche unerwünschten Ereignisse zu verhindern, betonen die Autorinnen und Autoren der Studie.  

 

Original-Publikation:
Karges B., Rosenbauer, J., Stahl-Pehe, A., Flury, M., Biester, T., Tauschmann, M., Lilienthal, E., Hamann, J., Galler, A., Holl, R.W.: Hybrid closed-loop insulin therapy and risk of severe hypoglycaemia and diabetic ketoacidosis in young people (aged 2–20 years) with type 1 diabetes: a population-based study. Lancet Diabetes Endocrinol. Vol 33, 88-96, 2025

 

*Hybrid-Closed-Loop-Systeme (HCL) und Open-Loop-Systeme
Hybrid-Closed-Loop-Systeme (HCL) sind Technologien zur Behandlung von Typ-1-Diabetes.  Sie kombinieren Insulinpumpe, kontinuierliche Glukosemessung und einen Algorithmus zur automatisierten Insulinabgabe. Mit einem Glukosesensor wird kontinuierlich der Glukosewert im Gewebe gemessen. Aus dem aktuellen Glukosewert berechnet der Algorithmus die benötigte Insulinmenge, die dann automatisch von der Insulinpumpe abgegeben wird.

Die drei Hauptkomponenten sind:

  1. Ein subkutan liegender Glukosesensor zur kontinuierlichen Glukosemessung-Messung (CGM).
  2. Insulinpumpe: Über einen subkutan liegenden Insulinkatheter erfolgt mit der Pumpe eine kontinuierliche Insulininfusion.
  3. Algorithmus: Ein Algorithmus berechnet basierend auf den Glukosewerten automatisch die benötigte Insulinmenge und steuert die Insulinpumpe.

Open-Loop-Systeme kombinieren Insulinpumpe und kontinuierliche Glukosemessung (CGMs). Im Gegensatz zu Closed-Loop-Systemen, die die Insulinabgabe automatisch anpassen, muss der Nutzer beim Open-Loop-System Anpassungen der Insulinzufuhr manuell umsetzen.

Sowohl beim Hybrid-Closed-Loop-System als auch beim Open-Loop-System muss der Nutzer die Insulindosis vor der Mahlzeit selbst berechnen und manuell umsetzen.

 

**Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV)
Ziel der DPV-Initiative ist es, die Behandlungsergebnisse für Menschen mit Diabetes in der Routinetherapie durch standardisierte Dokumentation, objektiven Vergleich von Qualitätsindikationen und durch multizentrische Therapieforschung zu verbessern. Aktuell beteiligen sich über 400 Behandlungseinrichtungen an der Initiative, vorwiegend aus Deutschland und Österreich, aber auch aus Luxemburg und der Schweiz.

 

Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) e.V. ist eines der acht Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind Helmholtz Munich – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen von Helmholtz Munich an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das Paul-Langerhans-Institut Dresden von Helmholtz Munich am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte Partner an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München sowie weitere Projektpartner. www.dzd-ev.de  

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Birgit Niesing


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