Die Tagung ist thematisch breit aufgestellt. Die vorwiegend deutschsprachigen Vorträge beschäftigen sich mit Themen aus der Grundlagen- und klinischen Forschung sowie aus den Bereichen Epidemiologie und Psychologie. Darüber hinaus diskutieren die Teilnehmer auch gesundheitspolitische Fragen.
Nach aktueller Datenlage sind über die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland übergewichtig (BMI > 25 kg/m²). Von diesen ist jeder Vierte bis Fünfte adipös (BMI > 30 kg/m²) – Tendenz steigend. Auch bei Kindern und Jugendlichen lässt sich dieser Trend beobachten. Laut der letztverfügbaren Daten des Robert Koch-Instituts in Berlin waren 2007 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 3 und 17 Jahren übergewichtig. Etwa sechs Prozent leiden unter Adipositas, wobei sich deren Anteil in der Gruppe der 14- bis 17-Jährigen sogar auf über acht Prozent erhöht.
Mit zunehmender Verbreitung der Adipositas steigt auch die Zahl der Menschen, die an schwerwiegenden Folgekrankheiten leiden. Zu diesen gehören vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bestimmte Krebsarten wie Leber- und Darmkrebs sowie Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) vom Typ 2. Mehr als sechs Millionen Menschen sind in Deutschland an einem Diabetes erkrankt.
Adipositas hat eine genetische Grundlage, wird aber wesentlich durch den in unserer heutigen Gesellschaft weit verbreiteten, ungesunden Lebensstil begünstigt. Dieser ist durch mangelnde Bewegung sowie eine hochkalorische, aber wenig sättigende Ernährung charakterisiert.
Um ein reduziertes Körpergewicht dauerhaft halten zu können, müssen betroffene Personen lebenslang auf einen gesunden Lebensstil achten. „Kurzfristige Reduktionsdiäten verringern nur für eine kurze Zeit das Körpergewicht und schaden langfristig mehr, als sie nützen. Gewichthalten nach erfolgreicher Gewichtsabnahme ist meist nur mit Unterstützung des sozialen Umfelds und einer langfristigen, verhaltenstherapeutischen Betreuung möglich oder mit Hilfe der metabolischen Chirurgie. Diese kommt für Kinder allerdings nicht in Frage“, sagt Prof. Dr. med. Martin Wabitsch, Präsident der DAG sowie ärztlicher Leiter des Hormonzentrums und des endokrinologischen Forschungslabors an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Ulm. „Wissenschaftler und Therapeuten sind daher mehr denn je gefordert, interdisziplinär zusammenzuarbeiten, um verbesserte Präventionsmaßnahmen und neue therapeutische Ansätze zu entwickeln, die diesem wachsenden Problem entgegenwirken“, so Wabitsch weiter. Immer deutlicher werde auch die Notwendigkeit, die Politik von der Umsetzung verhältnispräventiver Maßnahmen zu überzeugen, wie sie bereits in zahlreichen Ländern mit zunehmendem Erfolg angewendet werden. „Wir werden die Adipositasepidemie nur mit Hilfe der Politik eindämmen können, denn wir haben es mit einem komplexen, gesamtgesellschaftlichen Phänomen zu tun“, ist Wabitsch überzeugt.
„Hierfür ist es unter anderem auch wichtig, mehr über die molekularen und biochemischen Zusammenhänge zwischen Lebensstil, Adipositas und deren Folgeerkrankungen zu erfahren“, sagt Schürmann. Auf diese Weise sei es möglich, neue Behandlungsstrategien zu entwickeln. Wenn man zum Beispiel die Frage beantworten könne, warum nicht jeder adipöse Mensch automatisch auch an einer Stoffwechselstörung leide, ließen sich Personen leichter identifizieren, die zum Beispiel besonders gefährdet sind, an einem Diabetes zu erkranken. Präventionsmaßnahmen seien so gezielter umzusetzen, erklärt die Wissenschaftlerin.
Wie eine kürzlich von Schürmann veröffentlichte Studie annehmen lässt, beeinflussen bei adipösen Mäusen vier Gene die Teilungsfähigkeit der insulinproduzierenden Zellen in Abhängigkeit von der Kohlenhydratzufuhr. Je nachdem, über welche Genvarianten die Tiere verfügen, entwickeln sie einen Diabetes oder auch nicht. Das nächste Ziel der Wissenschaftler ist nun, die Funktionen der identifizierten Gene aufzuklären, um einen tieferen Einblick in die biochemischen Mechanismen der adipositas- und ernährungsabhängigen Diabetesentstehung zu erhalten. Wie eigene und andere Humanstudien zeigen, sind drei der entsprechenden menschlichen Gene ebenfalls mit Übergewicht und Insulinresistenz, der Vorstufe zum Diabetes, assoziiert.
Hintergrundinformationen
Hinweise zur Pressekonferenz am 15. Oktober 2015, von 10:00 – 11:00 Uhr am Veranstaltungsort der Jahrestagung in der Urania Berlin, Loft B, finden Sie zum Download unter: https://pc14.dife.de/get/5g6zfs