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DIfE feiert 30-jähriges Jubiläum

Unter dem Motto „Ernährung erforschen. Gesundheit stärken.“ feierte der DZD-Partner Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) am 15. September 2022 sein 30-jähriges Bestehen. Zu diesem besonderen Anlass veranstaltete das Institut ein wissenschaftliches Symposium mit anschließendem Sommerfest. Rund 50 Gäste aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft sowie ehemalige Mitarbeitende waren gekommen, um das Jubiläum gemeinsam mit dem DIfE zu begehen.

© DIfE

Seit seiner Gründung im Jahr 1992 betreibt das DIfE als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Ernährung und Gesundheit und setzt dabei auf ein breites naturwissenschaftliches, medizinisches und epidemiologisches Methodenspektrum. „Durch die stetige Schärfung unseres Profils und dem engagierten Einsatz aller DIfE-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es uns in den letzten drei Jahrzehnten gelungen, ein sowohl national als auch international anerkanntes, erfolgreiches und modernes Forschungsinstitut im Bereich der Ernährungs- und Gesundheitswissenschaften zu werden“, erklärte Prof. Tilman Grune, Wissenschaftlicher Vorstand des DIfE, zu Beginn des Symposiums.

Glanzstück der Leibniz-Gemeinschaft
Dies zeigen nicht nur die mehr als 3700 Publikationen, sondern auch viele weitere Meilensteine, die das DIfE erreicht hat. So betonte Prof. Andreas Radbruch, Sprecher der Sektion Lebenswissenschaften der Leibniz-Gemeinschaft, bei seinem Grußwort: „Mit seinem Fokus auf die Erforschung der molekularen Grundlagen einer gesunden Ernährung ist das DIfE ein integraler Bestandteil der Sektion C in der Leibniz-Gemeinschaft, in der 24 Institute aus den Lebenswissenschaften zusammengefasst sind. Das DIfE leistet einen zentralen Beitrag zum Thema Gesundheit, insbesondere zu der Frage, wie die Ernährung unsere Gesundheit beeinflussen und Krankheiten verursachen kann und wie man durch eine gesunde Ernährung Krankheiten vorbeugen kann. In den letzten 30 Jahren hat sich das DIfE zu einem Glanzstück der Leibniz-Gemeinschaft entwickelt.“

Gut vernetzt in die Zukunft
Es folgte ein weiteres Grußwort von Tobias Dünow, Staatssekretär für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg: „Wir wissen längst:

Was und wie viel wir essen, beeinflusst unsere Gesundheit erheblich – das Risiko für Volkskrankheiten wie Typ-2-Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist stark von unserer Ernährung abhängig. Aber: Wie entstehen eigentlich Entscheidungen zur Nahrungsauswahl im Gehirn – und können sie verändert werden? Mit seiner exzellenten experimentellen und anwendungsorientierten Grundlagenforschung und seiner herausragenden Vernetzung – unter anderem mit der Universität Potsdam – arbeitet das DIfE an solchen Zukunftsfragen und trägt maßgeblich dazu bei, die Ernährungs- und Gesundheitswissenschaften in Brandenburg voranzutreiben. Das DIfE ist zudem ein wichtiger Akteur in der Wissenschaftskommunikation. Die Krisen der vergangenen Jahre zeigen: Davon benötigen wir mehr – mehr Wissenschaft, mehr Fakten, mehr Lösungen, mehr Diskurs. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, liebes DIfE, zum Jubiläum – und ich freue mich schon auf ihre Forschungsergebnisse und Diskursbeiträge in den nächsten 30 Jahren!“

Tandemvorträge zu gesellschaftlich relevanten Ernährungsforschungsthemen
Für das wissenschaftliche Symposium konnte das Institut fünf Forschende gewinnen, für deren Karriereweg das DIfE ein wichtiger Wegbereiter war. „Ich freue mich sehr, dass unsere ehemaligen Wissenschaftler*innen gerne an ihre Zeit als Promovierende oder Postdocs am DIfE zurückdenken. Sie haben erfolgreich ihren Platz in der nationalen und internationalen Ernährungsforschung gefunden und stehen auch heute noch im wissenschaftlichen Austausch mit dem DIfE“, so Grune bei seiner Vorstellung der Referent*innen. Gemeinsam mit derzeit am DIfE tätigen Nachwuchswissenschaftler*innen präsentierten diese anschließend ihre Forschungsarbeiten zu aktuell gesellschaftlich relevanten Ernährungsthemen aus den Bereichen Darmmikrobiota, Mikronährstoffe, Neurowissenschaften, Adipositas und seine Folgeerkrankungen sowie Ernährungsepidemiologie.

Darmbakterien beeinflussen Darmkrebsrisiko
Den Anfang machten Prof. Dr. Thomas Clavel vom Universitätsklinikum Aachen und Dr. Sören Ocvirk aus der Forschungsgruppe Intestinale Mikrobiologie.

Unter dem Titel “Gut microbiome: You never eat alone” referierten die beiden über die große Vielfalt an Mikroorganismen, die den menschlichen Darm besiedeln und deren umfangreiche Einflüsse auf die Gesundheit, die noch weitestgehend unbekannt sind. So vermitteln die rund 100 Billionen Mikroorganismen im Darm zahlreiche Effekte der Ernährung auf den menschlichen Stoffwechsel: Primäre Gallensäuren werden von der Leber gebildet und in den Dünndarm abgegeben, um die Fettaufnahme zu erleichtern. Die Darmbakterien wandeln diese primären Gallensäuren dann in sekundäre Gallensäuren um.

Die Bildung bestimmter sekundärer Gallensäuren, welche oft mit einer sehr fettreichen „westlichen“ Diät einhergeht, steht jedoch im Verdacht, das Darmkrebsrisiko zu erhöhen. In einem aktuellen gemeinsamen Forschungsprojekt untersuchen Thomas Clavel, der von 2002 bis 2006 als Doktorand am DIfE den Abbau von Lignanen durch die intestinale Mikrobiota untersuchte, und Sören Ocvirk den Einfluss von Darmbakterien und sekundären Gallensäuren auf das Darmkrebsrisiko. Die beiden Wissenschaftler appellierten an die Gäste im Saal: "Geben Sie Ihrem Darmmikrobiom das Richtige zu essen: Es freut sich meist über viele Ballaststoffe und wenig rotes Fleisch!"

Was Ernährungsmuster mit chronischen Erkrankungen zu tun haben
Der nächste Vortrag widmete sich dem Thema „Ernährungsmuster im globalen Kontext - gibt es eine Lösung für alle?“ und wurde von Prof. Dr. Ina Danquah vom Heidelberger Institut für Global Health und Dr. Franziska Jannasch aus der Abteilung Molekulare Epidemiologie präsentiert. Ernährungsmuster stellen eine Alternative zur Untersuchung einzelner Lebensmittel dar, da sie die Komplexität menschlicher Ernährungsweisen berücksichtigen. Die beiden Wissenschaftlerinnen stellten die methodische Generierung und Untersuchung der Zusammenhänge solcher Ernährungsmuster mit dem Auftreten chronischer Erkrankungen, wie z. B. Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, in verschiedensten Studien auf nationaler, europäischer und globaler Ebene vor. Ina Danquah, die von 2010 bis 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin am DIfE war und zum Thema Typ-2-Diabetes bei afrikanischen Bevölkerungsgruppen forschte, machte deutlich, dass die Aufklärung der Zusammenhänge von Ernährungsmustern mit chronischen Erkrankungen Schlussfolgerungen für zukünftige Anpassungen von Ernährungsempfehlungen ermöglicht. „Die Heterogenität der verschiedenen Studienpopulationen limitiert die Ableitung ‚eines‘ gesunden Ernährungsmusters für alle“, betonte Danquah, „Jedoch tendieren die Ergebnisse hin zu einer fleisch-reduzierten, pflanzenbetonten Ernährungsweise, die auch im Sinne der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes die vielversprechendste Perspektive aufweist.“

Die Rolle des Gehirns bei der Regulation des Körpergewichts
Das dritte Vortragstandem mit Prof. Dr. Paul Pfluger vom Helmholtz Zentrum München und Dr. Rachel Lippert, Leiterin der Nachwuchsgruppe Neuronale Schaltkreise, präsentierte das Thema „Warum werden wir dick? Alles Kopfsache?“ Mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland ist übergewichtig oder gar fettleibig. All diese Personen haben ein signifikant erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und Krebs. Gewichtsverlust ist deshalb ein wichtiges Therapieziel, doch diesen zu erreichen, ist äußerst schwierig. Paul Pfluger, der von 2001 bis 2004 als Doktorand am DIfE war, verfolgt das Ziel, die Mechanismen, die diesen nachhaltigen Gewichtsverlust verhindern bzw. primär zur Fettleibigkeit führen, besser zu verstehen. Dies ist ein wichtiger Schritt, um zukünftige Therapieoptionen entwickeln zu können. „Übergewicht und Fettleibigkeit sind Kopfsache“, sagte Pfluger, „Auch das Scheitern beim Abnehmen.“ Fehlender Wille sei aber nicht die Ursache, sondern zahlreiche, noch weitgehend unverstandene Regelkreisläufe und sehr ursprüngliche Mechanismen, die unsere Vorfahren vor dem Hungertod bewahrt hatten. „Dazu zählt z. B. auch die mütterliche Umgebung, also wie die Ernährung einer schwangeren Frau im sich entwickelnden Gehirn der Nachkommen beeinflussen kann, wie sich Nervenzellen bilden und miteinander verschalten, um Signale über Hunger und Verhalten zu erzeugen", ergänzte Lippert. In unserem Zeitalter des Überflusses sei es wichtig, diese Mechanismen zu verstehen und ihnen entgegenzuwirken.

Was Vitamine & Co. über Gesundheit und Krankheit verraten
Prof. Dr. Marc Birringer von der Hochschule Fulda und Prof. Dr. Tilman Grune als Vertretung für die kurzfristig verhinderte Referentin Dr. Daniela Weber aus der Abteilung Molekulare Toxikologie nahmen das Publikum im vierten Vortrag mit auf eine „Spurensuche im Reich der Mikronährstoffe“.

Mikronährstoffe und deren Stoffwechselprodukte haben sehr spezifische Aufgaben, z. B. als Co-Faktoren von Enzymen des Energiestoffwechsels oder als Antioxidantien. Sie zirkulieren oft in sehr geringen Konzentrationen im Körper und in den Organen, und es bedarf einer aufwendigen instrumentellen Analytik, um diese nachzuweisen und zu quantifizieren. Einen besonderen Fokus legten die beiden Wissenschaftler in ihrem Vortrag auf die Herausforderungen einer validen Analyse der Vitamine A, E, K, B12, der Carotinoide sowie deren Metabolite. „Obwohl die von uns vorgestellten Vitamine und Mikronährstoffe zum Teil schon seit 100 Jahren bekannt sind, zeigen aktuelle Forschungsergebnisse neue Zusammenhänge mit entzündlichen Prozessen sowie mit alters- und ernährungsbedingten Erkrankungen“, erklärte Birringer, der von 1999 bis 2002 am DIfE tätig war und u. a. den humanen Stoffwechsel von Vitamin E erforschte. Grune betonte, dass durch veränderte Lebensweisen und Ernährungsgewohnheiten zusätzliche Bedarfe an Mikronährstoffen entstehen könnten. So gilt Vitamin B12 als kritisches Vitamin in der veganen Ernährungsweise und Vitamin A als Risiko-Marker für Herzerkrankungen.

Neue Strategien gegen Osteoporose und Übergewicht
Der letzte wissenschaftliche Vortrag an diesem Tag handelte „Von ‚Dickmacher-Genen‘ und unerwarteten Fetteinlagerungen“ und wurde von Dr. Thomas Ambrosi von der Stanford University School of Medicine und Dr. Heike Vogel, Leiterin der Forschungsgruppe Genetik der Adipositas, präsentiert.

Ambrosi, der von 2013 bis 2017 Doktorand am DIfE war und an Knochenstammzellen den Ursprung und die Funktion von Knochenmarksfett während des Alterns und bei fettiger Ernährung erforschte, erklärte, dass in Deutschland mehr als 6 Millionen Menschen an Osteoporose leiden. Diese Erkrankung geht mit einem starken Verlust an Knochenmasse einher, wodurch die Anfälligkeit für Knochenbrüche steigt. Menschen mit Übergewicht und/oder Typ-2-Diabetes haben ein erhöhtes Risiko, an Osteoporose zu erkranken. Bislang gibt es jedoch kaum Maßnahmen zur Prävention und Behandlung von Osteoporose. „Mit meinen Stammzell-basierten Forschungsansätzen möchte ich alternative therapeutische Strategien entwickeln, um die skeletale Gesundheit und damit die gesamte Lebensqualität zu verbessern“, sagte Ambrosi.

Heike Vogel hat sich zum Ziel gesetzt, sogenannte „Dickmachergene“ aufzuspüren. Durch Kreuzungsversuche mit dicken und dünnen Mäusen ist es ihr gelungen, weitere Puzzlesteine im komplexen Spiel der Krankheitsgene aufzuspüren, wie z. B. das Adipositasgen Ifif202b, das eine Fettspeicherung im Bauchraum begünstigt. Unsere Gene tragen jedoch nicht die alleinige Verantwortung für die Entstehung von Übergewicht. Die Ernährung und der Lebensstil spielen eine weitere wichtige Rolle. Eine effektive Strategie der Nahrungsaufnahme stellt z. B. das 16:8-Intervallfasten dar. „Wir konnten an Mausmodellen zeigen, dass durch die 16-stündige Essenspause die Empfindlichkeit für das blutzuckersenkende Hormon Insulin verbessert wird und es vor der Entstehung einer Fettleber schützt“, erklärte Vogel. Diese Erkenntnisse tragen dazu bei, die Vorgänge besser zu verstehen, die zu Übergewicht, Insulinresistenz und Diabetes führen und liefern zudem Ansatzpunkte für neue Behandlungsmöglichkeiten.

Im Anschluss an diesen offiziellen Teil bedankte sich Dr. Birgit Schröder-Smeibidl, Administrativer Vorstand am DIfE, bei den Referent*innen für die interessanten Vorträge und lud alle Anwesenden ein, den besonderen Tag beim Sommerfest in entspannter Atmosphäre ausklingen zu lassen.