Gestationsdiabetes mellitus (GDM) zählt zu den häufigsten Komplikationen in der Schwangerschaft. Knapp sechs Prozent der Schwangeren sind davon betroffen. Die meisten Frauen mit GDM haben nach der Geburt wieder normale Blutzuckerwerte. Diese Mütter haben allerdings ein erhöhtes Risiko, später an Typ-2-Diabetes mellitus zu erkranken. Um mögliche Komplikationen in der Schwangerschaft oder bei der Geburt sowie Folgeerkrankungen bei Mutter und Kind zu vermeiden, ist es wichtig, Gestationsdiabetes frühzeitig zu diagnostizieren und gut zu behandeln. Deswegen werden Schwangere zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche daraufhin untersucht und erhalten gegebenenfalls einen diagnostischen oralen Glukosetoleranztest** (OGTT). Um dieses Prozedere während der Corona-Pandemie zu vereinfachen, schlägt eine britische Studie der Autoren Meek et al. einen HbA1c-Grenzwert von 39 mmol/moL (5,72 %) für die 28. Schwangerschaftswoche vor, um einen GDM zu entdecken [1]. Forschende des DZD haben nun mit Daten der PREG-Studie dieses Vorgehen geprüft.
Dazu wurde zusätzlich zum OGTT (zwischen Schwangerschaftswoche 24 + 0 und 31 + 6) auch der HbA1c-Wert bestimmt. Unter 440 Schwangerschaften haben die Forschenden 118 GDM-Fälle diagnostiziert. Bei Anwendung des von Meek et al. vorgeschlagenen HbA1c-Grenzwertes von 5,72 %, wird der GDM nur bei 12 Frauen erkannt. Bei 106 Frauen wäre der GDM nach diesem Kriterium übersehen worden. Acht der Frauen mit normalem Zuckerstoffwechsel hatten einen HbA1c über diesem Grenzwert. Während die Spezifität des vorgeschlagenen HbA1c-Grenzwertes bei 97,5 % liegt, beträgt die Sensitivität jedoch nur 10,2 %.
„Unsere Analyse zeigt, dass im 2. beziehungsweise 3. Schwangerschaftsdrittel ein HbA1c-Wert von 5,72 % nicht geeignet ist, einen GDM zu diagnostizieren. Fast 90 % der Patientinnen mit GDM wären mit dieser Methode übersehen und daher auch nicht behandelt worden“, fasst Prof. Martin Heni die Studienergebnisse zusammen. „Die Anwendung des HbA1c-Grenzwertes identifiziert vor allem Schwangere mit erhöhtem Nüchternblutzucker, während Frauen mit normalem Nüchternblutzucker aber hohen Glukose-Auslenkungen nach dem Essen übersehen werden.“ Somit ist der diagnostische OGTT nach wie vor die zuverlässigste Methode, um Patientinnen mit GDM rechtzeitig zu identifizieren und dann optimal behandeln zu können.
Original-Publikation:
Fritsche L, Peter A, Hummel J, Wagner R, Häring HU, Birkenfeld AL, Fritsche A, Heni M: HbA1c measurement cannot replace an oral glucose tolerance test for the diagnosis of gestational diabetes. Dtsch Arztebl Int 2021; 118: –. DOI: 10.3238/arztebl. m2021.0159
* Deutsche Studie Schwangerschaftsdiabetes – PREG (NCT04270578)
In der Deutschen Gestationsdiabetes Studie werden schwangere Frauen mit und ohne Schwangerschaftsdiabetes über insgesamt zehn Jahre nachuntersucht. So können frühzeitig Diabetes-Vorstufen festgestellt und ggf. vorbeugende Maßnahmen angeboten werden. Die Studie wird deutschlandweit an fünf Standorten im Rahmen des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) durchgeführt.
** Oraler Glukosetoleranztest (OGTT)
Mit dem OGTT lässt sich feststellen, wie gut der Körper eine größere Menge Zucker verstoffwechseln kann. Dafür trinkt die nüchterne Person eine genau festgelegte Menge Glukose. Vor und zu mehreren Zeitpunkten während des OGTT wird Blut aus der Armvene abgenommen und der Blutzucker gemessen.
1) Meek CL, Lindsay RS, Scott EM, et al.: Approaches to screening for hyperglycaemia in pregnant women during and after the COVID-19 pandemic. Diabetic Medicine n/a:e14380.