Mehr als 25 % der Erwachsenen und bis zu 10 % der Kinder weltweit haben eine NAFLD. Bei Menschen mit Fettleibigkeit und/oder Diabetes steigen die Zahlen sogar auf etwa 60 % (Erwachsene) bzw. 40 % (Kinder). Diese Zahlen sind besorgniserregend, denn die NAFLD, und noch mehr die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) und die NAFLD-assoziierte Leberfibrose, erhöhen das Risiko fortgeschrittener Lebererkrankungen (z. B. Leberzirrhose, Leberkrebs) und kardiometabolischer Erkrankungen (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes).
Genetische Faktoren allein können den starken Anstieg der Prävalenz der NAFLD nicht erklären. Beeinträchtigungen des Glukose- und Fettstoffwechsels, die durch die weltweite Zunahme von Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes vorangetrieben wurden, sind höchstwahrscheinlich Gründe für die Zunahme der Zahl der Menschen mit NAFLD. Auswertungen der Autoren konnten einen erhöhten Verzehr von energiereichen Lebensmitteln und Fruktose sowie eine genetisch bedingte viszerale Fettleibigkeit und eine beeinträchtigte Fähigkeit zur Fettablagerung im unteren Teil des Körpers als wichtige Triebkräfte für NAFLD und Typ-2-Diabetes identifizieren. Das Zusammenspiel von Fettleber und Diabetes, welches subklinische Entzündungen, Insulinresistenz, erhöhte Glukosespiegel, dysregulierte lebereigene Proteine (Hepatokine), Dyslipidämie und Hyperkoagulation des Blutes umfasst, verstärkt die Wirkungen beider Krankheiten aufeinander. Das sind die dieselben Mechanismen (subklinische Entzündung, hoher Blutzuckerspiegel und Insulinresistenz), die auch das Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 erhöhen.
"Stoffwechselwege sind der Schlüssel zum Verständnis, warum NAFLD entsteht und wie sie sich auf andere Krankheiten auswirkt. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, die Entstehung der NAFLD mit einem ganzheitlichen Ansatz zu erforschen", sagt Professor Norbert Stefan von der Universität Tübingen, dem Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrums München, einem Partner des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). "Dieses Vorgehen beinhaltet die Integration des Wissens über nicht veränderbare Risikofaktoren, wie die genetisch bedingte Fettleber und die ungesunde Fettspeicherung sowie die altersbedingte Umverteilung von Fett und die Abnahme der Muskelmasse. Darüber hinaus müssen veränderbare Risikofaktoren wie Fehlernährung in frühen und späteren Lebensphasen sowie metabolische Risiken wie hohe Glukose- und Insulinspiegel frühzeitig erkannt und behandelt werden.“
Die Autoren der Übersichtsarbeit glauben, dass die Anwendung dieser Konzepte in Zukunft eine personalisierte Risikoprognose und eine individualisierte Behandlung der NAFLD ermöglichen wird. Darüber hinaus werden Forscher in der Lage sein, Programme zur Änderung des Lebensstils und Medikamente für die jeweiligen Subtypen, auf der Grundlage der verschiedenen Aspekte dieser Krankheit, zu entwickeln.
© N. Stefan/K. Cusi
Original-Publikation:
Norbert Stefan, Kenneth Cusi. A global view of the interplay between non-alcoholic fatty liver disease and diabetes. The Lancet Diabetes & Endocrinology 2022, DOI: 10.1016/S2213-8587(22)00003-1