Typ-1-Diabetes (T1D) ist die häufigste Stoffwechsel- und Autoimmunerkrankung bei Kindern. In Deutschland leben circa 373.000 Menschen mit einem Typ-1-Diabetes und jedes Jahr erkranken etwa 3.100 Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 17 Jahren neu daran. Bei der chronischen Autoimmunerkrankung zerstört das Immunsystem die Insulin-produzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse. Menschen mit Typ-1-Diabetes sind ihr Leben lang auf künstliches Insulin angewiesen. Denn das Hormon Insulin reguliert den Blutzuckerspiegel und ermöglicht, dass Glukose (Zucker) aus dem Blut in die Zellen gelangt. Genetische Faktoren erhöhen das Risiko der Erkrankung. Bisher sind mehr als 50 krankheitsrelevante Genorte bekannt, die alle einen Einfluss auf die Immunantwort zu haben scheinen.
Schutz für Betazellen
Um den Ausbruch der Erkrankung zu verhindern bzw. die Folgen der Erkrankung zu mildern, suchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Strategien. „Eine Möglichkeit ist es, Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse vor dem Untergang zu bewahren“, sagt Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler. Sie ist Direktorin des Instituts für Diabetesforschung (IDF) am Helmholtz Zentrum München, Leiterin der Forschergruppe Diabetes an der Technischen Universität München und Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD). In einer gemeinsamen Studie mit der Yale University New Haven konnten Ziegler und Kollegen zeigen, dass die Zerstörung der Betazellen durch das körpereigene Immunsystem mithilfe von Teplizumab gemindert werden kann*. In der randomisierten, Placebo-kontrollierten doppelblinden Phase II-Studie verzögerte eine 14-tägige intravenöse Gabe von Teplizumab bei Personen mit einem hohen Typ-1-Diabetes-Risiko den Ausbruch der Autoimmunerkrankung im Durchschnitt um zwei Jahre. (1)
Neue Studie PROTECT
In der neuen klinischen Forschungsstudie PROTECT wollen Forschende nun untersuchen, ob das Prüfmedikament Teplizumab** auch bei Kindern und Jugendlichen im Alter von acht bis 17 Jahren mit einem kürzlich diagnostizierten Typ-1-Diabetes den Verlust von Betazellen verlangsamen kann.
An der internationalen Studie beteiligen sich auch DZD-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus, des Paul-Langerhans-Institutes Dresden des Helmholtz Zentrum München und der Medizinischen Fakultät der TU Dresden. Insgesamt sollen 300 Kinder und Jugendliche an Studienzentren in den USA, Kanada und Europa in der randomisierten, Placebo-kontrollierten doppelblinden Phase III Studie untersucht werden. ***
Aufbau der Studie
Die Teilnehmenden erhalten über eine intravenöse Infusion entweder das Prüfmedikament oder ein Scheinmedikament (Placebo). Über einen Zeitraum von zwölf Tagen bekommen sie täglich die jeweilige Infusion. Die Studie besteht aus zwei Zyklen. Nach sechs Monaten erhalten die Probanden daher erneut täglich über einen Zeitraum von zwölf Tagen eine Infusion. Nach 18 Monaten untersuchen die Forschenden u.a. anhand vom Langzeitblutzuckerwert (HbA1c), Blutglukosewerte, der benötigen Menge an künstlichen Insulin, wie das Prüfmedikament wirkt.
„Mit der Studie wollen wir herausfinden, ob die zweimalige Gabe von Teplizumab bei Kindern und Jugendlichen mit neudiagnostizierten Typ-1-Diabetes, die Zerstörung der Betazellen mildern kann und hilft, die Insulin-Produktion länger aufrecht zu erhalten“, erläutert Prof. Dr. Reinhard Berner, PI der Studie und Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Uniklinikum Dresden.
Mehr Informationen zu Studie finden Sie auch im Internet unter https://theprotectstudy.com
* Hintergrund: Auslöser eines Typ-1-Diabetes sind nach heutigem Erkenntnisstand durch bestimmte weiße Blutkörperchen (T-Lymphozyten) vermittelte Autoimmunreaktionen gegen die Insulin-produzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse. Die Betazelle wird zerstört und die Insulinproduktion reduziert. Teplizumab bindet an diese T-Lymphozyten und soll so die Zerstörung der Betazellen hindern bzw. vermindern.
** Das Prüfmedikament Teplizumab ist eine Proteinart, die entwickelt wurde, um die Immunantwort des Körpers so zu verändern, dass er vor den durch T1D verursachten Schäden geschützt wird. Teplizumab wird als Prüfmedikament bezeichnet, da es von den Zulassungsbehörden nicht vollständig beurteilt und noch in keinem Land zugelassen wurde. Teplizumab wurde jedoch in vielen klinischen Studien untersucht, einschließlich bei Kindern mit T1D.
*** In der Studie wird die Wirkung des Prüfmedikaments Teplizumab untersucht. Ein Teil der Patienten erhält das Prüfmedikament, ein anderer Teil zur Kontrolle ein Scheinmedikament (Placebo). Weder Patient noch Arzt wissen, welcher Teilnehmer der Studie was bekommt. Beide Gruppen werden randomisiert, d.h. hinsichtlich Krankheitsschwere etc. vergleichbar zusammengestellt. In einer Phase-III-Studie werden Arzneimittel an einer größeren Patientengruppe an mehreren Studienstandorten untersucht, um zu sehen, ob sich die Wirksamkeit und die Unbedenklichkeit auch bei vielen unterschiedlichen Patienten bestätigen lässt.
Original-Publikation:
Kevan C. Herold, M.D., Brian N. Bundy, Ph.D., S. Alice Long, Ph.D., Jeffrey A. Bluestone, Ph.D., Linda A. DiMeglio, M.D., Matthew J. Dufort, Ph.D., Stephen E. Gitelman, M.D., Peter A. Gottlieb, M.D., Jeffrey P. Krischer, Ph.D., Peter S. Linsley, Ph.D., Jennifer B. Marks, M.D., Wayne Moore, M.D., Ph.D., Antoinette Moran, M.D., Henry Rodriguez, M.D., William E. Russell, M.D., Desmond Schatz, M.D., Jay S. Skyler, M.D., Eva Tsalikian, M.D., Diane K. Wherrett, M.D., Anette-Gabriele Ziegler, M.D., and Carla J. Greenbaum, M.D. for the Type 1 Diabetes TrialNet Study Group*for the Type 1 Diabetes TrialNet Study Group (2019). An Anti-CD3 Antibody, Teplizumab, in Relatives at Risk for Type 1 Diabetes. NEJM
DOI: 10.1056/NEJMoa1902226