Erwin-Schrödinger-Preis 2014 geht ans Helmholtz Zentrum München

Neuherberg, 29.07.2014. Ein einzelnes Molekül kann Hoffnungsträger für Millionen Menschen werden: Forscher haben zwei Hormone, die im Darm gebildet werden, zu einem einzigen Molekül zusammenfügt. Diese Hormonkombination wirkt an den Rezeptoren der Insulin-stimulierenden Hormone und kann so bei Patienten mit Adipositas oder Typ-2-Diabetes den Blutzuckerwert senken. Durch den neuen therapeutischen Ansatz könnten in den kommenden Jahren beide Krankheiten, die die Vereinten Nationen und die WHO zu den größten medizinischen Herausforderungen für die moderne Gesellschaft zählen, erfolgreich behandelbar werden. Für diesen Forschungsansatz erhält ein Team aus Chemikern, Pharmazeuten, Hormon- und Krebsforschern um Matthias Tschöp vom Helmholtz Zentrum München und TU München jetzt den Erwin Schrödinger-Preis 2014. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert und wird für interdisziplinäre Forschungsleistungen vergeben.

Die in ihrer Wirkung völlig neuartige Hormonkombination in einem einzigen Molekül führt zu einer effektiven Gewichtsreduktion und zu verbesserten Blutzuckerwerten im Tiermodell. Die beiden hierfür eingesetzten Hormone mit den Namen GLP-1 und GIP stammen ursprünglich aus dem menschlichen Verdauungstrakt, wo sie die Nahrungsverwertung sowie verschiedene Stoffwechselprozesse steuern. Wird Zucker aufgenommen, bewirkt das durch die Forscher kombinierte Hormon eine vermehrte Insulin-Ausschüttung. Zugleich wird der Appetit gehemmt und die Fettverbrennung erhöht. Die Ergebnisse des Forscherteams, zu dem Matthias Tschöp, Brian Finan, Kerstin Stemmer (alle Institut für Diabetes und Adipositas, Helmholtz Zentrum München) und Richard DiMarchi (Indiana University, USA) gehören, konnten belegen, dass die Stoffwechselkontrolle im Gehirn über natürliche Darmhormone beeinflussbar ist.

 Sollte sich dies in der weiteren wissenschaftlichen und klinischen Prüfung bestätigen, wäre dieser Ansatz ein Durchbruch für die Diabetesprävention und -therapie. Im Ergebnis könnten neue Therapiekonzepte für metabolische Erkrankungen etabliert werden. Die Hoffnungen ruhen jedoch nicht nur auf einem Kandidatenwirkstoff: Das interdisziplinäre Team hat inzwischen eine Reihe von neuen Kombinationswirkstoffen etabliert. Dazu gehören neben Kombinationen von GLP-1 und Glucagon auch GLP-1-basierte  Konjugate (Verbundstoffe), die Steroidhormone wie zum Beispiel Östrogen nur an stoffwechselwirksame Zellen, nicht jedoch an Zellen, bei denen Nebenwirkungen auftreten könnten, ausliefern. Wichtig ist die Entdeckung und erfolgreiche Entwicklung solch neuer Wirkstoffklassen vor allem, da in den vergangenen Jahren trotz der zunehmenden epidemieartigen Ausbreitung von Adipositas und Typ-2-Diabetes kaum neue therapeutische pharmakologische Behandlungsansätze für diese Volkskrankheiten entwickelt werden konnten. Bis zum Einsatz als zugelassenes Therapieverfahren dauert es zwar noch, doch der neue multifunktionale Wirkstoffansatz böte dann zugleich Chancen für personalisierte Therapiekonzepte für Typ-2-Diabetes-Erkrankungen.

„Die Auszeichnung ist ein Signal für die Bedeutung der Forschung auf dem Gebiet der metabolischen Erkrankungen für die moderne Gesellschaft,“ sagt Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. „Aufgabe der Helmholtz-Gemeinschaft ist es, durch unsere Grundlagenforschung Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu schaffen.“ Mlynek wird den Erwin-Schrödinger-Preis am 18. September 2014 im Rahmen der Jahrestagung der Helmholtz-Gemeinschaft in Berlin überreichen.

 

Weitere Informationen

Über den Erwin-Schrödinger-Preis
Seit 1999 zeichnen die Helmholtz-Gemeinschaft und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft mit dem Erwin Schrödinger-Preis herausragende wissenschaftliche oder technisch innovative Leistungen aus, die in Grenzgebieten zwischen verschiedenen Fächern der Medizin, Natur- und Ingenieurwissenschaften erzielt worden sind und an denen Vertreter mindestens zweier Fachrichtungen mitgewirkt haben. Der Preis wird jährlich abwechselnd vom Stifterverband und der Helmholtz-Gemeinschaft dotiert. Über das Preisgeld von 50.000 Euro können die Preisträger frei verfügen.

Zu den Pressemitteilungen des Helmholtz Zentrums München:
Neues multipotentes Darmhormon wirkt bei Diabetes, 30.10.2013
Doppelangriff auf Diabetes: Neue Hormonkombination bessert Metabolisches Syndrom, 12.11.2012


Zu den Preisträgern

Prof. Dr. Matthias Tschöp, Institut für Diabetes und Adipositas, Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt und Technische Universität München
Zum Forscherportrait

Prof. Dr. Richard DiMarchi, Standiford H. Cox Distinguished Professor of Chemistry, Linda & Jack Gill Chair in Biomolecular Sciences, Department of Chemistry, Indiana University

Dr. Kerstin Stemmer, Division of Metabolism and Cancer, Institut für Diabetes und Adipositas, Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt

Dr. Brian Finan, Division of Molecular Pharmacology, Institut für Diabetes und Adipositas, Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt

 

Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.200 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 34.000 Beschäftigten angehören. Das Helmholtz Zentrum München ist Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung e.V.

Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung e.V. bündelt Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Mitglieder des Verbunds sind das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, die Paul Langerhans Institute des Carl Gustav Carus Universitätsklinikums Dresden und der Eberhard-Karls-Universität Tübingen sowie die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V. und die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz Antworten auf offene Fragen in der Diabetesforschung zu finden und einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung von Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten.

Das Institut für Diabetes und Adipositas (IDO) erforscht die Erkrankungsmechanismen des Metabolischen Syndroms mit systembiologischen und translationalen Ansätzen. Mittels zellulärer Systeme, genetisch modifizierter Mausmodelle und klinischer Interventionsstudien sollen neue Signalwege und Zielstrukturen entdeckt werden. Ziel ist die interdisziplinäre Entwicklung innovativer Therapieansätze zur personalisierten Prävention und Behandlung von Adipositas, Diabetes und deren Begleiterkrankungen. Das IDO ist Teil des Helmholtz Diabetes Center (HDC).