Multinationale Analyse zeigt immer noch große Häufigkeit der diabetischen Ketoazidose bei Kindern und Jugendlichen

Boston, 17.08.2015 - In der größten multinationalen Analyse der diabetischen Ketoazidose (DKA) bei Kindern und Jugendlichen mitTyp-1-Diabetes-entdeckten DZD-Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit T1D Exchange-Forschern konstant hohe Raten und allgemeine Risikofaktoren für DKA in fünf Ländern. Das bestätigt, dass DKA – ein weitgehend vermeidbarer Zustand – immer noch eine ernste Bedrohung für Patienten mit Typ-1-Diabetes darstellt. Die Untersuchung betont auch die erheblichen Kosten, die mit der Behandlung von DKA verbunden sind und eine ernste finanzielle Belastung für die Gesundheitssysteme, Patienten und Familien darstellen.

In drei großen Datenbanken untersuchten die Forscher die Daten von fast 50.000 Patienten mit Typ-1-Diabetes im Alter von zwei bis 18 Jahren. Hierbei handelt es sich um T1D Exchange Clinic Registry, die umfassendste Datenbank für Typ-1-Diabetes in den USA, in der über 27.000 Patienten aus 76 Endokrinologie-Zentren für Kinder und Erwachsene erfasst sind, Diabetes Prospective Follow-up (DPV) Registry mit über 40.000 Patienten aus 209 Zentren in Deutschland und Österreich, und National Paediatric Diabetes Audit (NPDA) mit fast 16.350 Patienten, die pädiatrische Diabeteseinheiten in England und Wales aufsuchen.

Laut der Online-Veröffentlichung, die heute in Diabetes Care erschien und im Oktober in der Print-Ausgabe enthalten ist, lag die Häufigkeit der DKA zwischen fünf bis sieben Prozent der pädiatrischen Patienten, die jährlich in den drei Registern diagnostiziert und behandelt werden, und zwar:
• Einer von 14 Fällen in den USA (T1D Clinic Exchange Registry)
• Einer von 16 Fällen in England und Wales (NPDA)
• Einer von 20 Fällen in Deutschland und Österreich (DPV)

Patienten in allen drei Registern wiesen auch gleiche Risikofaktoren für die Diagnose von DKA auf:
• Weibliche Patienten: 23 Prozent höhere DKA-Rate als männliche
• Ethnische Minderheiten: 27 Prozent höhere Rate als nicht-ethnische Minderheiten
• Erhöhte HbA1c-Werte: Patienten mit HbA1c-Wert von 7,5 Prozent oder höher hatten die größten DKA-Raten.

"Diabetische Ketoazidose ist eine lebensbedrohliche Komplikation und tritt weiterhin viel zu häufig bei Kindern mit Typ-1-Diabetes auf. Es ist besonders besorgniserregend, eine derartige Häufigkeit in entwickelten Ländern mit fortschrittlichen und modernen Gesundheitssystemen zu beobachten. Es ist offensichtlich, dass wir eine bessere Bildung und bessere Präventionsprogramme brauchen, die speziell auf Familien ausgerichtet sind", betonte der Leiter der Studie David M. Maahs, MD, PhD, ein T1D Exchange-Forscher und Professor für Pädiatrie am Barbara Davis Center for Diabetes an der Universität von Colorado.

Diabetische Ketoazidose entsteht infolge eines Insulinmangels; in Reaktion darauf baut der Körper Fett und Muskeln zur Energiegewinnung ab; hierzu setzt er Ketone, die sauer sind, in den Blutkreislauf frei, wodurch es zum chemischen Ungleichgewicht kommt, das zu einer diabetischen Ketoazidose führt. DKA kann weitgehend durch Einhaltung eines strikten Diabetes-Managements verhindert werden, das die Überwachung von Blut-Glukose, Kontrolle von Urin oder Blut zur Früherkennung der Ketose und die Anpassung des Insulinspiegels nach Bedarf umfasst.
Bei fehlender Behandlung sind Patienten mit DKA oft auf teure medizinische Notfallversorgung angewiesen. Nach Angaben der Forscher betrugen in den Jahren 2004-2009 in den USA die Durchschnittskosten pro Krankenhauseinweisung auf Grund einer pädiatrischer DKA ungefähr 7.100 Dollar. Weiterhin ergeben die Daten für Versicherungsansprüche 5.837 Dollar für zusätzliche jährliche medizinische Aufwendungen für pädiatrische Patienten mit Typ-1-Diabetes mit DKA im Vergleich zu denen ohne DKA. In Deutschland betrugen die Kosten für pädiatrische Diabetes-Patienten mit DKA fast das Vierfache im Vergleich zu den pädiatrischen Patienten ohne DKA.

Mehr als 12.700 pädiatrische Patienten erhalten jährlich in den USA die Diagnose DKA. Forscher schätzen die jährlichen Gesamtkosten für die Behandlung dieser pädiatrischen DKA-Fälle auf etwa 90 Millionen Dollar. Die Vermeidung von nur 10 Prozent dieser Fälle (ca. 1.200 Patienten) könnte zu möglichen Einsparungen von 9 Millionen Dollar pro Jahr führen.

"Die mit der Behandlung von diabetischer Ketoazidose verbundenen Kosten sind erheblich, insbesondere für pädiatrische Patienten, die nach der Diagnose oft intensive Betreuungseinrichtungen benötigen", sagte Maahs. "Der wirtschaftliche Anreiz für die Entwicklung eines DKA-Trainings und für Präventionsprogramme ist riesig. Diese Programme würden nicht nur zu besseren Ergebnisse bei den Patienten führen, sondern würden potentiell auch zu einer Kostensenkung in den bereits überlasteten  Gesundheitssystemen und in den Familien beitragen."

Internationale Bewertungen für Typ-1-Diabetes, Entwicklung von Richtwerten
Die Studie ist eine von mehreren gemeinsamen Initiativen zwischen T1D Exchange und den DPV- und NPDA-Registern. Neben der Prüfung der Häufigkeit und Risikofaktoren der DKA in den fünf Ländern hatte die Analyse auch das Ziel, zu erkennen und zu verstehen, wo Interventionen ansetzen sollten, um die Versorgungsqualität für alle Typ-1-Diabetes-Patienten weltweit zu verbessern.

"Richtwerte für diese Daten zu erreichen, ist ein wichtiger Teil der Forschung und Zusammenarbeit. Solche Vergleiche ermöglichen Forschern und Klinikern weltweit, Sachverhalte zu identifizieren, welche die Gesamtheit der Patienten in den Blick nimmt: Was brauchen die Patienten am meisten? Wo müssen Ressourcen gebildet und Forschung intensiviert werden, um Versorgungsstandards in der Behandlung und im Management des Diabetes zu verbessern?“, so fasste Henry Anhalt, DO, Chief Medical Officer bei T1D Exchange, die Fragen zusammen.

T1D Exchange, das erste Programm von Unitio, wurde auf der Prämisse gegründet: Effektivere und schneller wirkende Therapien für Typ-1-Diabetes (T1D) zu entdecken, erfordert ein Forschungsmodell, das so facettenreich und differenziert ist wie die Krankheit selbst. Die Rolle von T1D Exchange ist hierbei, die Funktion eines Koordinators auszuüben, der Tausende von Menschen, die bereits an der Verbesserung der Ergebnisse für Patienten arbeiten, untereinander und mit der Gemeinschaft der Patienten insgesamt verbindet. Auf jahrzehntelanger Forschung und vorliegenden Daten aufbauend hat T1D Exchange das Ziel, Motor der Translation zu sein, der es dem gesamten T1D-Ökosystem ermöglicht, auf wirklich neuen Wegen zusammenzuarbeiten, und zwar über die Integration eines klinischen-Netzwerks, klinischen Registers, einer Biobank und GLU COMMUNITY, einem Online-Dienst für die Patienten/Betreuer, die von Typ-1-Diabetes betroffen sind.

Die Studie wurde finanziert vom Leona M. and Harry B. Helmsley Charitable Trust, dem deutschen BMBF Kompetenznetz Diabetes Mellitus (das seit Januar 2015 in das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) integriert ist), die Healthcare Quality Improvement Partnership ( HQIP) und vom Paediatrics and Child Health (RCPCH) herausgebracht.


Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung e.V. ist eines der sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das Paul-Langerhans-Institut Dresden des Helmholtz Zentrum München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte Partner an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München sowie weitere Projektpartner.

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